Nachdenkzeiten


Das Nachdenken ist in seinen Auswirkungen auf die psychische Gesundheit wohl durch nichts zu ersetzen und kann durch unvoreingenommene professionelle Begleitung unterstützt oder ausgelöst werden. Eher unbewusste psychische Vorgänge, die das Denken, Fühlen und Handeln in vielfältiger Weise beeinflussen - wie Ängste, gefühlte Grenzen und Hemmnisse - werden durch verbales und stilles Nachdenken erschlossen. Nachdenkzeiten sind essentiell für die Sicht auf uns selbst und die Welt, für psychische und körperliche Gesundheit, neben allen anderen wichtigen Maßnahmen der Gesunderhaltung.

Der Reflektionsprozess ist erschwert, wenn er Angst auslöst oder verstärkt.
Alleine nachzudenken ist grundlegend wichtig aber häufig begrenzt, grübelndes und ergebnisloses Sich-im-Kreis-Drehen kann entstehen. Die hemmenden oder störenden Affekte wiederholen sich, müssen mit viel Aufwand verdrängt werden. In der Folge verstärken sich die emotionalen Schwierigkeiten und auf Dauer können sogar körperliche Störungen entstehen.

Gespräche mit Freunden oder Menschen aus dem nahen Umfeld sind unersetzlich und können sehr hilfreich und stabilisierend sein. Durch Mangel an Selbstreflektion und Empathie auf Seiten der Gesprächspartner, was in Überheblichkeit münden kann, angstvolles Konkurrenzdenken oder schlicht Unwissenheit kann die Entwicklung gehemmt, der „Blick über den Tellerrand“ erschwert werden. Im ungünstigsten Fall entstehen egoistische Manipulationsversuche, Ausforschungen um eigene unbewusste Schwierigkeiten zu ergründen oder Übernahme nicht überprüfter Meinungen Dritter.

Subjektive Realität kann wie eine unverrückbare Gewissheit wirken. Die Folgen können vielfältig und weitreichend, manchmal allumfassend sein. Verfälschte Wahrnehmung oder bewusste Entstellung der Realität, Unaufrichtigkeit sich selbst oder anderen gegenüber, verunglimpfende Andeutungen, destruktive Beziehungsmuster, unbewusster Rückzug aus der Realität, subjektive soziale Isolation trotz vieler Kontakte oder Flucht in auch virtuelle Scheinwelten gehören dazu.

Das Vermeiden oder Behindern der Selbstreflektion dient manchmal dem Erhalt destruktiver Machtstrukturen und gründet auf Ängsten. Manchmal leiden scheinbar nur andere unter der unkontrollierten Affektivität, aber die einsamen dunklen Stunden eines Peinigers können sich grausam anfühlen.

Ein vorhandener oder gefühlter Mangel an Selbstwert und eigene Schwächen lassen sich kaum mit Ritualen, Materiellem, vorgegebenem Glück, durch die Entwertung anderer Menschen und destruktives Verhalten steigern oder verarbeiten. All dies kann vielleicht kurzfristig stützen, aber verschafft nur eine flüchtige und trügerische Selbstwertsteigerung.

Förderlich verlaufende Reflektionsprozesse erschließen hingegen die möglichen Ursachen, die persönliche psychische Entwicklung und mögliche aktuelle Auswirkungen. Normalerweise ist so zu ergründen, was unsere eigenen Werte sind, was dem eigenen Willen entgegensteht und was durch früheres oder heutiges soziales Umfeld und durch die Gesellschaft vorgegeben, aufgedrängt ist.
Eine differenzierte Wahrnehmung der aktuellen Realität und unbewusster Denkinhalte, z.B. Vorurteile, scheint nur durch eine eher bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen oder überkommenen Werten möglich. Ein eher positives Lebensgefühl kann dann freier von Störungen genossen und durch lustvolle, selbst gewählte Tätigkeiten unterstützt werden.
Mit einem kritischen, aber auch wohlwollenden Blick auf die Schwierigkeiten und Schwächen lassen sich später auch die eigenen Stärken und Ressourcen bewusster wahrnehmen und die förderlichen Dinge des Lebens freier von Störungen genießen.

Das Nachdenken führt eher nicht dazu, dass nur noch logische Entscheidungen ohne Emotionen getroffen werden, aber affektive Gedanken, Handlungen, Phantasien und Projektionen können besser auf ihre möglichen Auswirkungen und Folgen überprüft, irrationale Handlungen die schaden besser begrenzt und intuitiv förderlichere Entscheidungen getroffen werden.

Verdrängen zu können ist wichtig aber auf Dauer anstrengend und belastend. Der scheinbar schwierige Weg des Nachdenkens ist eigentlich die leichtere, direktere und effektivere Methode, zu konstruktiven Lösungen zu gelangen. Es kann zunächst, im Vergleich zu den langfristigen Folgen destruktiven Verhaltens, sehr anstrengend wirken.

Hilfen in konkreten Fragen und Ängsten, können vielleicht die dringendsten Probleme lösen. Hierdurch besteht jedoch die Gefahr, der bewussten oder unbewussten Beeinflussung durch Therapeut oder Berater. Vereinfachende Techniken können das Nachdenken unterstützen, aber auch zu dauerhafter Abhängigkeit davon führen.

Tiefenpsychologisch fundierte, psychoanalytisch orientierte Psychotherapie möchte unter anderem eigenes kritisches Nachdenken fördern und dort Unabhängigkeit unterstützen wo Strukturen und Einwirkungen als destruktiv, symbiotisch und nicht förderlich wahrgenommenen werden oder diese Emotionen verarbeiten helfen. Sie hilft eher kritische Distanz neben aufrichtiger Verbundenheit zu fördern.
Insofern dient sie auch als Feindbild und Projektionsfläche für eher Abhängigkeit unterstützende Institutionen und Menschen. Die Wichtigkeit einer Technik oder der eigenen Person kann überhöht, die Deutungsmacht weniger bewusst sein und damit Unabhängigkeit eher kritisch beurteilt werden.